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BLUT ALS BIOMARKER FÜR ME/CFS

ℹ️ Wir stellen euch hier zwei Beiträge, übersetzt von #MillionsMissing Deutschland, zur Verfügung. Auf Anfrage kontakt@millionsmissingdeutschland.de stellen wir gerne ein PDF der Übersetzung zur Verfügung. Anmerkungen von #MillionsMissing Deutschland in eckigen Klammern oder grau hervorgehoben.


»Unsere Daten zeigen, dass die signifikante Abnahme der Verformbarkeit von roten Blutkörperchen bei ME/CFS-Patienten möglicherweise ihren Ursprung im oxidativen Stress hat. Das deutet darauf hin, dass eine veränderte mikrovaskuläre Durchblutung eine mögliche Ursache für ME/CFS-Symptome sein kann.« | Quelle: Open Medicine Foundation. 


Studie zeigt, dass rote Blutkörperchen bei ME Patienten weniger deformierbar sind

Im Original »Study shows that red blood cells are stiffer in people with ME« von Marilyn Simon-Gersuk, The #MEAction Network | 02. Januar 2019

Forscher haben eine Publikation veröffentlicht, die verschiedene Messungen der Verformbarkeit der roten Blutkörperchen von Patienten mit Myalgischer Enzephalomyelitis/ Chronic Fatigue Syndrome (ME/CFS) zeigt, die darauf schließen lassen, dass sie bei Menschen mit ME/CFS eine signifikant höhere Inflexibilität aufweisen als diejenigen von gesunden Kontrollpersonen.

 

Die Beobachtungen der Studie legen nahe, dass der Transport roter Blutkörperchen durch Mikrokapillaren den ME/CFS-Phänotyp zumindest teilweise erklären kann und dass dies sich als ein neuartiger First-Pass-Diagnosetest ankündigt. Ronald W. Davis, PhD (1), der an dieser Abhandlung mitgearbeitet hat, schreibt:

 

»Möglicherweise handelt es sich dabei um einen Biomarker, und wir entwickeln neue Geräte, die eine klare Unterscheidung zwischen Patienten und gesunden Kontrollen aufzeigen kann. Diese Geräte sind handlich und können von Ärzten in ihren Büros oder in klinischen Testlaboren verwendet werden. Frühere Arbeiten haben sich hauptsächlich mit der Form der roten Blutkörperchen befasst, die schwer zu quantifizieren ist. 

Unser Ansatz wird eine eindeutige quantitative Zahl ergeben. Es misst die Fähigkeit der roten Blutkörperchen, sich zu verformen, während sie in eine Kapillare gepresst wird, was Blutkörperchen für einen gesunden Fluss tun müssen. 

Wir messen Hunderte von Zellen von jedem Patienten. Daher erhalten wir, obwohl die Anzahl der Patienten niedrig ist, eine sehr statistisch signifikante Unterscheidung zwischen der Verformbarkeit von ME/CFS und gesunden Zellen.

Wir setzen alles daran, die neuen Geräte so schnell wie möglich zu entwickeln.«

 

Die wissenschaftliche Abhandulung [siehe unten] zur Verformbarkeit roter Blutkörperchen wurde als Open Source in Clinical Hemorheology und der Microcirculation veröffentlicht. Die Autoren sind Mohsen Nemat-Gorgani, PhD der Stanford University, und Anand Ramasubramanian, PhD, der San Jose State University, in Zusammenarbeit mit Ron Davis, PhD, und dessen Teams.

 

Die Studie wurde vollständig von der Open Medicine Foundation durch die Unterstützung ihrer großzügigen Spender finanziert.


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WEITERE INFORMATIONEN (🇩🇪Deutsch)

Verformbarkeit der Erythrozyten als potenzieller Biomarker für das Chronic Fatigue Syndrome

Im Original »Erythrocyte Deformability As a Potential Biomarker for Chronic Fatigue Syndrome«  von Amit K. Saha, Brendan R. Schmidt, Julie Wilhelmy, Vy Nguyen, Justin Do, Vineeth C. Suja, Mohsen Nemat-Gorgani, Anand K. Ramasubramanian and Ronald W. Davis | Blood Journal | November 2018

Die Myalgische Enzephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome (ME/CFS) ist wahrscheinlich die letzte größere Krankheit, über die wir fast nichts wissen. Es ist eine multisystemische Krankheit unbekannter Ätiologie [Ursache], von der Millionen von Menschen weltweit betroffen sind und die Fähigkeit hat, mehrere Jahre zu bestehen. 

 

ME/CFS ist gekennzeichnet durch eine stark entkräftenden Fatigue von mindestens 6 Monaten, begleitet von Schmerzen und schwerer Erschöpfung der Skelettmuskelatur, zusätzlich zu eingeschränktem Kurzzeitgedächtnis oder eingeschränkter Konzentration, sowie durch einen nicht erholsamen Schlaf oder einer langwierigen Erschöpfung nach Belastung. 

 

Während die Ätiologie der Erkrankung noch immer umstritten ist, deuten die Befunde darauf hin, dass das Immunsystem und die hämatologischen Systeme als einer der pathophysiologischen Mechanismen der Erkrankung oxidativ geschädigt werden. Erythrozyten sind starke Radikalfänger von oxidativem Stress, und ihre Form ändert sich merklich als Reaktion auf oxidativen Stress und bestimmte entzündliche Zustände, einschließlich Fettleibigkeit und Diabetes. 

 

Die Form der Erythrozyten ändert sich aufgrund der Scherströmung in Mikrokapillaren von einem bikonkaven Discoide zu einem Ellipsoid, was ein größeres Verhältnis von spezifischer Oberfläche zu Volumen für eine optimale mikrovaskuläre Perfusion und Gewebesauerstoffversorgung bereitstellt, nicht nur für den gesamten Hämatokrit, sondern auch für die Fähigkeit zu deutlichen Deformationen in der Physiologie. Klinisch zeigen ME/CFS-Patienten eine normale arterielle Sauerstoffsättigung, über mikrovaskuläre Perfusion ist jedoch nicht viel bekannt. 

 

In dieser Arbeit haben wir die Hypothese geprüft, dass die Erythrozytenverformbarkeit in ME/CFS durch eine Kombination biophysikalischer und biochemischer Techniken beeinträchtigt wird. Wir haben die Verformbarkeit von Erythrozyten mit einer mikrofluidischen Vorrichtung mit hohem Durchsatz getestet, die den Blutfluss durch Mikrokapillaren nachahmt. Wir führten Erythrozyten (Suspension in Plasma) von ME/CFS-Patienten und aus alters- und geschlechtsgleichen gesunden Kontrollen (n = 9 Spenderpaare) durch eine mikrofluidische Plattform mit hohem Durchsatz von 55µm Breite und 3–5 5µm Höhe. 

 

Wir haben die Bewegung der Zellen mit hoher Geschwindigkeit (4000 fps) aufgezeichnet, gefolgt von einer Bildanalyse, um die folgenden Parameter zu bewerten:

  • Eintrittszeit (Zeit, die die Zellen benötigen, um vollständig in die Testkanäle einzutreten),
  • durchschnittliche Transitgeschwindigkeit (Geschwindigkeit der Zellen innerhalb der Testkanäle)
  • und Dehnungsindex (Verhältnis des Hauptdurchmessers vor und nach der Verformung im Testkanal).

Wir beobachteten, dass Erythrozyten von ME/CFS-Patienten 

  • eine höhere Eintrittszeit (~12%, p<0.0001), 
  • eine niedrigere durchschnittliche Transitgeschwindigkeit (~17%, p<0.0001), 
  • und einen niedrigeren Dehnungsindex (~14%, p<0.0001), hatten 

als im Vergleich zu Erythrozyten aus gesunden Kontrollen. 

 

Zusammengenommen zeigen diese Daten, dass Erythrozyten von ME/CFS-Patienten eine verringerte Verformbarkeit aufweisen. Um unsere Ergebnisse zu bestätigen, haben wir auch die Erythrozytensedimentationsrate (ESR) für diese Spender gemessen, was zeigt, dass die Erythrozyten von ME/CFS-Patienten niedrigere (~40%, p<0.01)) Sedimentationsraten hatten.

 

Um die Grundlagen für die Unterschiede in der Verformbarkeit zu verstehen, untersuchten wir die Veränderungen der Fließfähigkeit der Membran mit einem Lateraldiffusionsassay unter Verwendung von Pyrendecansäure (PDA) und beobachteten, dass RBCs von ME/CFS-Patienten eine geringere Membranfluidität aufweisen (~30%, p<0.01). 

Abgesehen von der Fluidität zeigten Zeta-Potentialmessungen, dass ME/CFS-Patienten eine niedrigere negative Oberflächenladung auf der RBC-Plasmamembran hatten (~18%, p<0.0001).

Im Vergleich zu gesunden Kontrollen wurden auch höhere Werte von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) in Erythrozyten von ME/CFS-Patienten (~30%, p<0.008) beobachtet.

 

Mit Hilfe der Rasterelektronenmikroskopie (REM [/ engl. SEM]) beobachteten wir auch Veränderungen in der RBC-Morphologie zwischen ME/CFS-Patienten und gesunden Kontrollen (Vorhandensein verschiedener morphologischer Unterklassen wie bikonkave Scheibe [auch Discozyt genannt], Leptozyten, Akanthozyten und Gratzellen; Flächen- und Seitenverhältnis; Ebenen der Erythrozytenaggregation). 

Trotz dieser Änderungen in der Erythrozytenphysiologie blieben die Hämoglobinspiegel zwischen gesunden Spendern und ME/CFS-Patienten vergleichbar. 

 

Schließlich zeigen vorläufige Studien, dass Erythrozyten bei der Genesung von ME/CFS-Patienten solche Unterschiede in der Zellphysiologie nicht zeigen, was auf einen Zusammenhang zwischen Erythrozyten-Verformbarkeit und Schweregrad der Erkrankung schließen lässt.

 

Zusammenfassend zeigen unsere Daten, dass die signifikante Abnahme der Verformbarkeit von Erythrozyten von ME/CFS-Patienten möglicherweise auf oxidativen Stress zurückzuführen ist, und legt nahe, dass eine veränderte mikrovaskuläre Perfusion eine mögliche Ursache für ME/CFS-Symptome sein kann. 

Unsere Daten deuten auch darauf hin, dass die Verformbarkeit der Erythrozyten als potenzieller Biomarker für ME/CFS dienen kann, obwohl weitere Studien zur unspezifischen Einstufung der Krankheit erforderlich sind.