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Erhöhte Adrenalin-Spiegel bei ME/CFS: Neue Meta-Analyse liefert spannende Erkenntnisse

 

Kurzzusammenfassung

 

In Jarred Youngers Vlog 036 vom 30.09.2024 spricht er über eine Meta-Analyse zur adrenergen Dysfunktion bei ME/CFS, wobei der Fokus auf dem Adrenalin-Spiegel liegt. Die Ergebnisse zeigen, dass Betroffene mit ME/CFS im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen erhöhte Adrenalinspiegel im Ruhezustand aufweisen.


Adrenalin ist ein Hormon und Neurotransmitter, das von den Nebennieren freigesetzt wird und den Körper auf eine „Kampf-oder-Flucht“-Reaktion vorbereitet. Es erhöht die Herzfrequenz, verengt die Blutgefäße und steigert den Blutdruck. Chronisch erhöhte Adrenalinspiegel können zu Symptomen wie Angstzuständen, Herzklopfen und kalten Extremitäten führen.

 

Bei ME/CFS spielt die Aktivierung des sympathischen Nervensystems eine zentrale Rolle bei der Verschlechterung der Fatigue-Symptome. Betroffene sind oft durch Adrenalinschübe zu wach, um zu schlafen, obwohl sie muskuläre Fatigue erleben. Diese Überstimulation verstärkt die Symptome.

In der Meta-Analyse wurden 543 Betroffene mit ME/CFS, 651 mit Fibromyalgie (FM) und 1.194 gesunde Kontrollpersonen untersucht. Die Adrenalinspiegel bei ME/CFS-Betroffenen waren im Ruhezustand signifikant höher als bei den gesunden Kontrollpersonen, während bei FM-Betroffenen diese Auffälligkeit nicht nachzuweisen war. Dies deutet darauf hin, dass eine übermäßige Aktivierung des sympathischen Nervensystems eine Schlüsselrolle bei ME/CFS spielen könnte.

 

Zudem wurde bei ME/CFS-Betroffenen eine erhöhte Anzahl von Beta-1-adrenergen Rezeptoren festgestellt, was bedeutet, dass der Körper stärker auf Adrenalin reagiert. Die Rezeptoren sind bei ME/CFS-Betroffenen erhöht, was zu einer dauerhaften Aktivierung des sympathischen Nervensystems führt und eine anhaltende Fatigue begünstigt.

Younger betont, dass die adrenerge Dysfunktion möglicherweise nur eine Untergruppe der ME/CFS-Betroffenen betrifft. Er empfiehlt, bei Verdacht auf adrenerge Probleme einen 24-Stunden-Urintest auf Katecholamine durchführen zu lassen. Dies könnte Hinweise darauf geben, ob die Fatigue durch eine Überaktivierung des adrenergen Systems verursacht wird und eine gezielte Behandlung erfordert.

 

Video Vlog 036: https://youtu.be/mJqKbwE89rc?si=bjIDJwmLeeaKEL5y

 

Studie: Hendrix J, Fanning L, Wyns A, Ahmed I, Patil MS, Richter E, Van Campenhout J, Ickmans K, Mertens R, Nijs J, Godderis L, Polli A. Adrenergic dysfunction in patients with myalgic encephalomyelitis/chronic fatigue syndrome and fibromyalgia: A systematic review and meta-analysis. Eur J Clin Invest. 2024 Sep 25:e14318. doi: 10.1111/eci.14318. Epub ahead of print. PMID: 39319943.


 

Die Studie im Detail

 

1. Einführung in die adrenerge Dysfunktion bei ME/CFS und FM

Adrenerge Dysfunktion bezieht sich auf eine Fehlfunktion im sympathischen Nervensystem, das durch adrenerge Rezeptoren und Neurotransmitter gesteuert wird. Diese Dysfunktion spielt eine zentrale Rolle bei den Symptomen von Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronischem Fatigue Syndrom (ME/CFS) undFibromyalgie (FM). Hendrix et al. (2024) untersuchten die Unterschiede in adrenergen Biomarkern zwischen diesen beiden Erkrankungen und gesunden Kontrollgruppen.

 

2. Methodik und Auswahl der Studien

Die Metaanalyse umfasste 37 Studien, die biologische Marker im Blut von 543 ME/CFS-Betroffenen und 651 FM-Betroffenen untersuchten. Verglichen wurden diese mit gesunden Kontrollpersonen, um Unterschiede in der adrenergen Funktion zu identifizieren. Untersucht wurden unter anderem Adrenalinspiegel sowie die Expression adrenerger Rezeptoren im Ruhezustand und nach körperlicher Belastung.

 

3. Adrenerge Rezeptoren – Überblick und Bedeutung

Adrenerge Rezeptoren reagieren auf die Neurotransmitter Adrenalin und Noradrenalin und regulieren das sympathische Nervensystem. Zu den wichtigen Rezeptoren gehören α1-, α2-, β1- und β2-Rezeptoren. Bei ME/CFS sind vor allem die Rezeptoren α2A und β2 betroffen, was auf eine Fehlregulation des sympathischen Nervensystems hindeutet.

 

4. Bedeutung von COMT bei ME/CFS

Catechol-O-Methyltransferase (COMT) ist ein Enzym, das für den Abbau von Katecholaminen wie Adrenalin und Noradrenalin verantwortlich ist. Bei ME/CFS wurde eine erhöhte COMT-Aktivität nach Belastung beobachtet. Dies könnte erklären, warum Betroffene nach körperlicher Aktivität über einen längeren Zeitraum unter einer Verschlechterung der Symptome leiden.

 

5. Alpha-2A-Rezeptoren und ihre Rolle bei ME/CFS

Die Alpha-2A-Rezeptoren regulieren die Freisetzung von Noradrenalin. Eine Überaktivierung dieser Rezeptoren wurde bei ME/CFS-Betroffenen nach Belastung beobachtet. Dies könnte zu einer verminderten Verfügbarkeit von Noradrenalin führen, was die muskuläre Fatigue und kognitive Probleme nach körperlicher Aktivität erklären könnte.

 

6. Beta-2-adrenerge Rezeptoren und ihre Dysfunktion bei ME/CFS

Beta-2-Rezeptoren sind primär in der Muskulatur und im Herz-Kreislauf-System aktiv und regulieren die Muskelentspannung sowie die Gefäßerweiterung. Bei ME/CFS wurde eine erhöhte Aktivität dieser Rezeptoren nach Belastung festgestellt, was zu einer anhaltenden Fatigue und einer verlangsamten Erholungsphase beitragen kann.

 

7. Ergebnisse der Metaanalyse für ME/CFS-Betroffene

Die Metaanalyse zeigte, dass ME/CFS-Betroffene im Ruhezustand erhöhte Adrenalinspiegel und eine gesteigerte Expression der β1- und α2A-Rezeptoren aufweisen. Nach körperlicher Belastung traten zusätzliche Dysfunktionen bei den β2-Rezeptoren und der COMT-Aktivität auf. Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung adrenerger Dysfunktionen bei ME/CFS.

 

8. Unterschiede zwischen ME/CFS und FM

Während ME/CFS-Betroffene sowohl im Ruhezustand als auch nach Belastung deutliche adrenerge Dysfunktionen zeigen, sind die Unterschiede bei FM weniger ausgeprägt. FM-Betroffene zeigten im Ruhezustand keine signifikanten Abweichungen, jedoch eine verminderte Adrenalinantwort auf Belastung. Diese Unterschiede deuten darauf hin, dass bei ME/CFS andere pathophysiologische Mechanismen eine größere Rolle spielen.

 

9. Klinische Implikationen und zukünftige Forschung

Die Erkenntnisse der Studie legen nahe, dass adrenerge Dysfunktionen, insbesondere bei ME/CFS, ein potenzieller Ansatzpunkt für neue Therapien sind. Das gezielte Ansprechen von Rezeptoren wie α2A und β2 sowie die Regulation von COMT könnten helfen, die Symptome zu lindern. Zukünftige Forschung sollte sich auf die detaillierte Untersuchung der adrenergen Signalkaskaden und ihre Rolle in der Krankheitsentwicklung konzentrieren.