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GEHIRN IN FLAMMEN – TEIL 1/2

Verbreitete Neuroinflammation bei Myalgischer Enzephalomyelitis / Chronic Fatigue Syndrome (ME/CFS)


ℹ️ Wir stellen hier den Beitrag von Cort Johnson als Übersetzung zur Verfügung. Da die Texte meist sehr lang sind, haben wir den Inhalt in zwei Teile unterteilt. Die Fortsetzung ist hier abrufbar. [Anmerkungen von #MillionsMissingDeutschland in eckigen Klammern].


INHALT

TEIL 1 unserer Übersetzung

  • Neuroinflammation, Erschöpfung und Schmerzlabor Stop
  • Neuroinflammation – Der japanische Weg
  • Neuroinflammation – Der »Younger« Weg
  • Neue Nicht-Invasive Technik

TEIL 2 unserer Übersetzung (folgt)

  • Verbreitete Neuroinflammation in ME/CFS-Gehirnen gefunden
  • Laktate
  • Therapeutische Implikationen
  • »Von der schnellen Truppe«
  • Ursache?
  • Das Ramsay Award Programm der Solve ME / CFS Initiative

Neuroinflammation, Erschöpfung und Schmerzlabor Stop

MMD-Logo (…) [Cort Johnson beschreibt in diesem Teil des Artikels den mühseligen Weg und den gut abgesicherten Campus des National Institutes of Health (NIH), wo er seine Interviewpartner Avindra Nath(1) und Jarred Younger(2) treffen wird.]


Neuroinflammation – Der japanische Weg

Die Neuroinflammation spielt seit langem eine Rolle in ME/CFS, aber erst seit kurzem stehen die Werkzeuge zur Verfügung, um sie zu untersuchen. Forscher denken seit Jahrzehnten, dass Neuroinflammationen wahrscheinlich bei Chronic Fatigue Syndrome (ME/CFS) vorhanden sind, aber erst seit kurzem ist die Technologie in der Lage, die niedrigeren Grade der Neuroinflammation, die bei Krankheiten wie ME/CFS und Fibromyalgie gegenwärtig sind, zu erfassen.

 

Die Japaner waren die Ersten, die sich an diese Herausforderung heranwagten. Sie haben lange geglaubt, dass Entzündung zu zentraler Erschöpfung führt (Erschöpfung, die vom Gehirn ausgeht), die eine wichtige Rolle bei ME/CFS spielt. Im Jahr 2013 vermutete Watanabe(3), dass eine Entzündung im Gehirn das »Fazilitations-System«, welches Bewegungen ermöglicht], bekämpft, welche genau dann auftritt, wenn wir zu erschöpft sind um die Signale des motorischen Kortex zu verstärken, damit wir unsere Muskeln bewegen können. Er stellte auch die Hypothese auf, dass ein Inhibitionssystem die Erschöpfung bei ME/CFS erhöht.


MMD-Logo [Bei dem Phänomen der Inhibition handelt es sich um die Beeinflussung einer Nervenzelle durch einen Impuls, der dieses Neuron nicht zur Bildung eines Aktionspotentials anregt, sondern es »hemmt« und dadurch das von diesem Neuron weitergegebene Signal abschwächt. | Quelle: Wikipedia]

Eine Studie aus dem Jahr 2016 untermauerte diese Hypothese, als Anzeichen für eine verminderte dopaminerge Aktivität in einem Teil des Gehirns (den Basalganglien) gefunden wurden, der den motorischen Kortex aktiviert. Das passte gut zu Millers Ergebnissen, die darauf hindeuteten, dass Probleme mit den Basalganglien sowohl die Erschöpfung als auch die motorischen Aktivitätsprobleme bei ME/CFS hervorrufen könnten.


 MMD-Logo Bei den Basalganglien handelt es sich um eine Gruppe von Endhirn- und Zwischenhirnkernen (Gebiete aus grauer Substanz), die subkortikal, d.h. unter der Großhirnrinde, in der weißen Substanz des Telencephalons lokalisiert sind.

 

Aufgrund ihrer Funktion bei der Ausgestaltung von Bewegungsabläufen gehören sie in erster Linie zum extrapyramidalmotorischen System (EPMS). Sie erfüllen jedoch neben motorischen auch kognitive und limbische Funktionen. | Quelle: https://flexikon.doccheck.com/de/Basalganglien]


Der große Durchbruch gelang 2014, als die Japaner mit einer PET-Scan-Studie fast jeden erschreckten, da diese eine weit ausgebreitet Neuroinflammation in den Gehirnen von ME/CFS-Patienten aufzeigte. Die Studie [Neuroinflammation in Patients with Chronic Fatigue Syndrome/Myalgic Encephalomyelitis: An 11C-(R)-PK11195 PET Study] war klein (n = 19), aber die Ergebnisse schienen bemerkenswert.

 

Die Neuroinflammation war flächig weit verbreitet, jedoch am höchsten in den Bereichen des Gehirns (Thalamus, Amygdala, Mittelhirn, Hippocampus), die zuvor in ME/CFS auftraten. Außerdem konnten die Japaner bestimmte Entzündungsherde mit spezifischen Symptomen verknüpfen.

  • Entzündung im Thalamus war mit kognitiven Beeinträchtigungen, Erschöpfung und Schmerzen verbunden;
  • Entzündung in der Amygdala wurde mit kognitiven Problemen assoziiert; und
  • Entzündung des Hippocampus war mit Depression verbunden.

Anthony Komaroff(4) nannte die Ergebnisse die spannendsten seit Jahrzehnten. Die Japaner begannen eine viel größere (n = 120) Neuroinflammationsstudie. [STUDIE: Development of surrogate end-point biomarkers for chronic fatigue and myalgic encephalmyelitis/chronic fatigue syndrome ( ME/CFS)].

 

In diesem Jahr veröffentlichten sie eine große Anzahl von wissenschaftlichen Aufsätzen über ME/CFS in der Japanischen Zeitschrift »Shinkei Kenkyu No Shinpo« (Gehirn und Nerv). [ÜBERSICHT – Wissenschaftlicher Aufsätze: Neurologic Abnormalities in ME, A Review Komaroff et al]. Eine der Arbeiten befasste sich speziell mit der Neuroinflammation, aber die Ergebnisse wurden noch nicht in englischen Zeitschriften veröffentlicht.


Neuroinflammation – Der »Younger«Weg

Jarred Younger, der das »Neuroinflammation-, Schmerz- und Erschöpfungslabor an der UAB - The University of Alabama at Birmingham« leitet, glaubt auch lange, dass die Neuroinflammation eine wichtige Rolle beim Chronic Fatigue Syndrome (ME/CFS) und bei der Fibromyalgie (FM) spielt.

 

Im Jahr 2015 stellte er fest, was für ein begehrtes Thema Neuroinflammation geworden war. Vor sieben Jahren, sagte er, habe es auf den »Schmerz-Konferenzen« fast nichts zu Mikroglia gegeben. Jetzt sind die Präsentationen auf Mikroglia abgestimmt.


MMD-Logo  [Mikroglia repräsentieren das endogene Verteidigungs- und Immunsystem des Gehirns, das verantwortlich ist für den Schutz des zentralen Nervensystems (ZNS) gegen eine Reihe pathogener Faktoren. | Quelle: www.networkglia.eu/mikrogliazellen]

Diese Immunzellen sind für so viele Faktoren empfindlich und können auf so viele Arten ausgelöst werden, dass praktisch jeder Stressfaktor, von einer Infektion über Toxine bis zu psychischem Stress, potenziell einen Zustand der Mikroglialsensibilisierung im jeweiligen Individuum auslösen kann.

 

Mit ihrer Fähigkeit, Dutzende von verschiedenen Entzündungsmediatoren zu produzieren, glaubt Younger, dass der Unterschied zwischen ME/CFS und FM einfach auf kleine Unterschiede in der Mikroglia-Anpassung zurückzuführen ist. Beide Erkrankungen könnten durch hohe Immunaktivierungsraten ausgelöst werden, die im Laufe der Zeit die Mikroglia so stark sensibilisieren, dass sie beim ersten Anzeichen eines Stressors mit dem Auspumpen von Entzündungsfaktoren beginnen.


Neue Nicht-Invasive Technik

Younger hatte gerade seine ME/CFS-Gehirn-Thermometrie-Studie beendet. Er verwendete eine neue, weniger invasive Methode zur Beurteilung des Gehirns, die Magnetresonanz-Spektroskopische Thermometrie (MRSt).

Die Technik, die ein Thermometer für das Gehirn darstellen soll, verwendet einen Magnetresonanztomographen (MRT). Während Younger die Temperatur des Gehirns untersuchte, untersuchte er auch seine chemische Zusammensetzung. Mein Partner fragte ihn, wie er sich auf die »Heat Mapping«-Idee einließ?

 

Es stellte sich heraus, dass Younger schon seit geraumer Zeit versuchte, eine nicht-invasive Methode zur Beurteilung der Neuroinflammation zu finden. Er benötigte eine Technik, die er in seinen Longitudinalstudien/ [Längsschnittstudie] (Good Day / Bad Day) immer wieder sicher anwenden konnte.


MMD-Logo  Bei einer Längsschnittstudie wird, im Unterschied zu einer Querschnittstudie, dieselbe empirische Studie zu mehreren Zeitpunkten durchgeführt und die Ergebnisse der einzelnen Untersuchungswellen verglichen. | Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Längsschnittstudie]

Keine der gegenwärtigen Techniken passte jedoch ins Bild. Sie waren alle stark invasiv. Der PET-Scan-Ansatz verwendet Strahlung, um das Gehirn abzubilden. Ein anderer Ansatz, bei dem magnetisierte Nanopartikel verwendet werden, soll sicher sein, aber es erfordert immer noch, dass kleine Metallstücke in die Gehirne der Menschen gelangen...

Nachdem er auf mehrere Sackgassen gestoßen war, versuchte er auf Grundlage seiner Hypothese, dass Entzündungen die Temperaturerhöhungen verursachen könnten, eine Hitzekarte [Heat-Mapping] des Gehirns zu erstellen. In der Literatur erkannte er, dass die Thermometrie bereits im Gehirn verwendet wurde, um Schlaganfall- und Krebspatienten zu beurteilen.

 

Es stellt sich heraus, dass die Versuche des Gehirns, die Schäden durch Schlaganfall und Krebs zu reparieren, zu enormen Temperaturerhöhungen führen. Die Schlaganfall- und Krebsforscher konzentrierten sich jedoch nur auf kleine Bereiche des Gehirns. Da Younger nicht genau wusste, wo im Gehirn bei ME/CFS gesucht werden sollte, würde diese Technik für ihn nicht funktionieren. Er musste eine Methode entwickeln, die eine Hitzekarte und eine chemische Signatur des »gesamten Gehirns« erzeugen würde, und einen Forscher in Florida finden, der einen Weg dazu ebnete.

Mit dieser Technik dauert es nur 20 Minuten in der Maschine, um eine vollständige 3D-Hitze- und Chemiekarte eines ME/CFS-Patientengehirns zu erhalten.

 

Nachdem die Solve MECFS Initiative (SMCI) finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt hatte, begann er zu arbeiten und untersuchte schließlich die Gehirne von 15 ME/CFS-Frauen und 15 gesunden Kontrollpersonen in Alter und Geschlecht.


TEIL 2 der Übersetzung ist hier abrufbar. 




  1. Avindra Nath, M.D., Section of Infections of the Nervous System, Clinical Director (Intramural Research Program at the National Institutes of Health (NIH IRP))
    https://irp.nih.gov/pi/avindra-nath
    https://me-pedia.org/wiki/Avindra_Nath
  2. Jarred W. Younger, PhD – UAB - The University of Alabama at Birmingham
    https://www.uab.edu › Home › People › Primary Faculty
    https://me-pedia.org/wiki/Jarred_Younger
  3. Yasuyoshi Watanabe | Riken
    https://me-pedia.org/wiki/Yasuyoshi_Watanabe
  4. Anthony L Komaroff, Professor of Medicine at Harvard Medical School
    https://me-pedia.org/wiki/Anthony_Komaroff
    https://en.wikipedia.org/wiki/Anthony_L._Komaroff