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»Totale Erschöpfung«

Ulrich Timm im Gespräch mit Prof. Carmen Scheibenbogen, Leiterin der Immundefekt Ambulanz der Charité in Berlin | tagesschau24 | 22. September 2019

Frau Professor Scheibenbogen war zu Gast bei Ulrich Timm. Thema des 25-minütigen Beitrags »Totale Erschöpfung« war das Symptom »Fatigue« sowie die Abgrenzung des Symptoms zur eigenständigen Erkrankung  »Chronisches Fatigue Syndrom« [auch Myalgische Enzephalomyelitis oder ME/CFS genannt] sowie die schwierige Situation für CFS-Betroffene hinsichtlich der medizinischen und sozialen Versorgung. 

 

Ab Minute 09:00 geht es um die eigenständige Erkrankung CFS. Frau Prof. Scheibenbogen betont, dass diese Krankheit schon seit 1969 von der WHO geführt wird, aber lange Zeit als psychische Erkrankung oder eben als chronische Erschöpfung fehlinterpretiert und in ihrer Schwere verkannt wurde. Sie betont weiterhin, dass die Krankheit bis heute nicht gut untersucht ist. Man spreche auch von der letzten großen unerforschten Erkrankung, so Frau Prof. Scheibenbogen. 

 

Es ist eine Erkrankung, die meist nach einer Infektion beginnt und vermehrt junge gesunde Menschen trifft, die sich dann nicht mehr erholen und unter einer schweren »Fatigue« und vielen anderen Symptomen leiden.  CFS ist dabei eine häufige Erkrankung. Häufiger als die meisten Rheumaerkrankungen, so Frau Prof. Scheibenbogen. Sie gehe davon aus, dass es sich um eine Autoimmunerkrankung handelt, insbesondere, wenn diese Erkrankung nach einem Infekt auftritt. 

 

Es gibt keinen eindeutigen Biomarker für diese Erkrankung, so Frau Prof. Scheibenbogen. Genauere Untersuchungen, die über reine Routineuntersuchungen hinausgehen, zeigen jedoch Auffälligkeiten bei CFS-PatientInnen. Anhand von Diagnosekriterien lässt sich die Krankheit diagnostizieren. Dafür muss man diese Krankheit als Arzt jedoch kennen, so Frau Prof. Scheibenbogen. Den Grund, warum Ärzte selten die Diagnose CFS stellen, sieht sie in der fehlenden Lehre dieser Erkrankung an den Universitäten und an der mangelnden Forschung.

 

Um dem entgegenzuwirken, wurde in Berlin das Fatigue-Zentrum eingerichtet, dass sowohl für Ärzte als auch Betroffene Informationen zur Verfügung stellt und behandelnden Ärzten eine Telefonsprechstunde bei Rückfragen anbietet. Primär müsse die Behandlung leider im Moment beim Hausarzt verbleiben, da es in Deutschland keine Fachambulanzen oder Fachkliniken für CFS-PatientInnen gibt. Neben dem Fatigue-Zentrum in Berlin, dass jedoch nicht alle Erkrankten aus Deutschland betreuen kann, gibt es noch ein Fachzentrum für Kinder in München. Von universitärer Seite aus gibt es bisher keine weiteren Anlaufstellen, so Frau Prof. Scheibenbogen. 

 

Die Leiterin der Immundefekt Ambulanz betont die schwierige medizinische und soziale Versorgung. Es gibt keine zugelassenen Medikamente für CFS. Es kann nur symptomorientiert behandelt werden. Die Krankheit verläuft meist chronisch. Die meisten Erkrankten sind jung und werden oft erwerbsunfähig. Rentenversicherer erkennen die Erkrankung oft nicht an. Die Patienten befinden sich in einer schwierigen Situation. 

 

Um diese Situation zu lösen, müssen alle Akteure, an einen Tisch zusammen kommen, so Frau Professor Scheibenbogen. Auch das mangelnde Interesse der pharmazeutischen Industrie ist nicht nachvollziehbar. Die Krankheit ist häufig und ein Konkurrenzmedikament gibt es nicht. Allein aus ökonomischer Sicht müsste dies Anreiz genug für die pharmazeutische Industrie sein.

Sie wünsche sich, dass man anerkennt, dass es sich um eine schwere Erkrankung handelt, dass man die Erkrankung erforscht, dass die pharmazeutische Industrie mit einsteigt, dass Medikamente entwickelt werden, so dass man CFS-Patienten in fünf Jahren eine Therapie anbieten kann, die eine Chance auf Heilung bietet. 


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